magazineBannerLarge magazineBannerLarge

Warum müssen unsere alten Zeichentrickhelden abspecken?

biene-maja-heidi

So süß, so…neu, so…animiert. Was ist denn mit Biene Maja, Heidi und Co. passiert?

Damals und Heute – ein Vergleich

Irgendwann geht es für jedes Kind unausweichlich vom Kinderbuch zum Fernsehen – und das trägt wiederum nicht unwesentlich zur Entwicklung des Kindes bei (denn das Kind kann zunächst noch nicht zwischen Realität und Film unterscheiden). Aber ist das ein Grund, die Zeichentrickfiguren scheinbar perfekt zu gestalten? Nicht zu dünn, nicht zu dick, hübsch, süß, stark und vieles mehr. Sollen unsere Kinder mit einem einseitigen Schönheitsideal aufwachsen?

Scheinbare Ideale werden dabei schon von der Modeindustrie vermittelt. Stichwort: Size Zero. Ein Trend, der viele fragend zurücklässt. Sieht doch gar nicht mehr schön aus. Ein Glück, dass es mittlerweile den Trend in die andere Richtung gibt: Plus-Size. Kurvig ist endlich wieder in, auch wenn es schleierhaft bleibt, ab welcher Größe manche Modelabels ihre Übergrößen-Linien beginnen lassen.

Haben Modetrends also auch die Zeichentrickwelt erfasst? Dünner ist gleich besser? Die Bevölkerung scheint das anders zu sehen, denn die Erschlankung vieler Zeichentrickhelden verursachte großen Aufschrei und ging durch zahlreiche Medien. Vor allem Pumuckl war im Gespräch, der so nur für eine Ausgabe eine neue Statur bekam – und jetzt wieder ganz der Alte ist.

Gerade in der Zeit, in der Individualität großgeschrieben wird, scheint das Erschlanken der Zeichentrickhelden und damit die Vermittlung eines einseitigen Ideals ein rätselhaftes Unterfangen. Warum Zeichentrickfiguren körperlich verändern?

Aber schauen wir zunächst, was sich verändert hat:

Biene Maja

biene-maja-alt

So kennen wir die kleine, schlaue Biene Maja: mit rundem Bienenbauch, großem Heißhunger auf frischen Nektar, kindlich und einfach zum knuddeln.

biene-maja-neu

Nun ist sie dünn. So wie hier, tanzend auf einer Blume, hat sie zwar immer noch den Knuddelfaktor, jedoch ist sie nun mal nicht mehr die Maja, die sie einmal war. Zumindest fällt es schwer, ihr mit dieser Statur noch ihre Liebe zu dickem Nektar abzunehmen.

Bob der Baumeister

bob-der-baumeister-alt

Kennen Sie ihn noch, den kleinen Baumeister mit der Knubbelnase, der mit seinen Fahrzeugen überall mitanpackt? Mit Latzhose und Werkzeug bewaffnet kann er jedes Projekt verwirklichen, nicht umsonst lautet sein Motto: „Yo, wir schaffen das!“.

Bob der Baumeister

Der neue Bob hingegen, mit schicker zweigeteilter Bauarbeiter-Robe, scheint wohl eher der Mann für das nächste Zeitschriftencover zu sein. Plötzlich groß gewachsen, schlank, ohne Knubbelnase – einfach ein schnieker Typ. So wird er in der neuen Serie, die zunächst in Großbritannien startete, dem jungen Publikum präsentiert.

Heidi

heidi-alt

Und auch Heidi, unsere süße Heidi, soll ein Make-Over bekommen. Wir kennen sie mit kindlich, rundlichen Formen und stets fröhlich.

heidi-neu

Und so sieht sie jetzt aus. Gar nicht mehr so rundlich. Wo ist der Bauch? Oder war der immer nur unter dem Kleid versteckt – das wohlgemerkt auch verändert wurde? Neues, modernes Outfit mit taillierter Abtrennung, neue Figur, neue Heidi. Nur die roten Bäckchen wurden ihr gelassen.

Pumuckl

pumuckl-alt

Pumuckl ist einfach DER Kultkobold, mit seinem runden Bäuchlein, das frech hervorblitzt. Umso verständlicher die Aufregung um seine plötzliche Erschlankung in der Buch-Jubiläumsausgabe, die im September herauskam. Aber keine Angst, dem ersten Schock darf Erleichterung folgen: Pumuckl bleibt nicht dürr, sondern wird bald wieder ganz der Alte sein. Die veränderte Zeichnung war lediglich für diese eine Buchausgabe zum Jubiläum und zum 95. Geburtstag der Pumuckl-Erfindern Ellis Kaut angefertigt worden.

Warum das alles?

Die Figuren sollen zeitgemäßer und moderner sein und sich dem Geschmack der heutigen Zeit anpassen. Jedoch verlieren sie für viele so auch ihren Charme. Dass das die Kinder von heute nicht stört, ist nachvollziehbar, schließlich sind sie damit groß geworden.

Die Verfechter der Originale sind die Kinder von damals. In einer Zeit ohne Smartphone und Tablets waren Biene Maja und Co. die Fernsehhelden der letzten Generation. Mit den animierten Figuren von heute können sich viele nicht mehr identifizieren – und fühlen sich dadurch ihrer Erinnerungen beraubt.

Nicht ohne Grund schreibt ein empörter Leser in Bezug auf die „Neue Heidi“ auf der ZDF-Twitter Seite: „Ich wäre Euch sehr verbunden, wenn Ihr damit aufhören könntet, nachträglich meine Kindheit zu ruinieren. Danke.“ (Quelle)

Soweit das Gefühl an der Generationenfront.

Warum so viel Animation?
Animation ist jetzt „in“ und überall zu sehen. Vermeintlicher Grund: den Kindern buntere, knalligere Farben, echtere Welten und ausgefallener Personen zu bieten – oder auch einfach Kosten zu sparen. Mit Animation lässt sich nun einmal einfach mehr machen, heißt es. Das kann sein, doch auch die handgezeichneten Trickfilme haben uns bis jetzt immer überzeugt, betrachtet man schon allein die zahlreichen und unglaublich erfolgreichen Filme des Japaners Hayao Miyazaki. Animation ist also nicht gleich besser.

Studie will zeigen: Homer macht dick

homer-simpson-donuts

Nur weil Homer am liebsten Donuts isst, machen die Kinder das doch nicht nach! – Oder doch?

Dass Zeichentrickfiguren und deren körperliche Beschaffenheit scheinbar genauso im Interesse der Öffentlichkeit stehen wie die von Hollywood-Stars, war uns neu. Doch dies zeigt sich eindeutig daran, dass es sogar Studien zum Thema gibt.

In einer Studie der University of Colorado at Boulder wurde untersucht, ob das Betrachten von beleibten Zeichentrickfiguren auch zu ungesunder Ernährung – ganz nach dem Vorbild der Figuren – führt.

Im ersten Experiment wurde den Kindern entweder eine übergewichtige Figur, eine normalgewichtige oder ein neutraler Gegenstand (Becher) gezeigt. Danach sollten sie einen Fragebogen zu einem thematisch komplett anderen Thema ausfüllen, ihre drei ersten Gedanken notieren und duften sich anschließend Süßigkeiten aus zwei Schüsseln nehmen.

Und tatsächlich: Die Probanden der ersten, „übergewichtigen“ Gruppe nahmen sich mehr als doppelt so viele Süßigkeiten als die anderen Kinder. Zudem notierten sie mehr als die anderen Teilnehmer Gedanken, die dem Stereotyp der übergewichtigen Charaktere entsprachen.

hand-in-glas-voller-cookies

Kinder, die dicke Zeichentrickfiguren betrachteten, aßen mehr Süßigkeiten als andere Probanden der Studie.

Ein zweites Experiment, in dem den Kindern gleichzeitig eine dicke und eine normalgewichtige Figur gezeigt wurde, stellte das gleiche Ergebnis heraus.

In einem dritten Versuch sollten die Kinder zunächst Bildpaare zusammenfügen und jeweils die gesündere Option auswählen (z.B. Keks und Apfel). Danach wurden wieder ein moppeliger Zeichentrickcharakter und ein normalgewichtiger gezeigt. Ergebnis diesmal: Die Teilnehmer, die vorher die Gesundheitsfragen beantworten sollten, aßen weniger Kekse als die Teilnehmer, denen die Fragen nicht gestellt wurden.

Was bedeutet das?

Der Anblick dicker Zeichentrickfiguren führt also anscheinend unbewusst zu ungesünderer Ernährung. Jedoch muss dabei einerseits bedacht werden, dass die Studienverantwortlichen keine Auswahl zwischen Süßem und Gesundem bereitstellten. Andererseits ist auch die Erziehung durch die Eltern wichtig. Mindestens genauso wichtig wie das, was das Kind im Fernsehen sieht, ist, welche Ernährungsweise Eltern ihrem Kind vorleben.

Ob die Studie aus Kalifornien tatsächlich der Auslöser für die jüngste Verschlankungskur von Biene Maja, Heidi und Bob dem Baumeister verantwortlich ist, ist natürlich nicht nachweisbar. Die Frage stellt sich daher umso mehr, ob es denn tatsächlich notwendig ist, so drastische Veränderungen an Charakteren vorzunehmen, deren Körpermaße ihrer Popularität davor auch keinen Abbruch getan hatten. Zumal es auch heute noch entsprechende Gegenbeispiele gibt:

Was dagegen spricht: Auch beleibte Figuren haben Erfolg

asterix-und-obelix

Die Gefahr, dass Kinder plötzlich drei Wildschweine verputzen, weil sie den dicken Obelix auf der Leinwand sehen, dürfte gering sein.

Homer Simpson scheint der größte Übeltäter in Sachen ungesunde Ernährung und schlechtem Einfluss zu sein. Trotzdem erfreut er sich bis heute größter Beliebtheit auf der ganzen Welt und hat es sogar zu einem eigenen Kinofilm gebracht. Denn gerade seine Figur und sein Humor machen ihn aus und prägen seine Persönlichkeit. Ein schlanker Homer wäre einfach nicht lustig, genauso wenig wie ein schlanker Shrek oder ein schlanker Obelix. Ihr Körper passt eben zur Rolle, die sie spielen. Wie könnte jemand, der am Tag fünf Wildschweine verputzt, auch dünn sein?

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Ideal vom V-Körper für Männer und der Barbie für Frauen einfach an der Realität vorbeigeht. Von Haus aus beleibten Menschen wird so vermittelt, dass es nur die eine Art von „richtigem“ Aussehen gibt.

Zeichentrick-Hungerhaken als Magersucht-Auslöser?

Im Gegensatz zu den übergewichtigen (meist männlichen!) Zeichentrickfiguren stehen die schlanken Comicschönheiten wie Elsa, Kim Possible oder die Bratz Girls. Als Vorbilder für kleine Mädchen retten sie die Welt, singen mit Engelsstimme und, naja, können einfach alles – und am besten eben gut aussehen. Mit Wespentaille und schier endlos scheinenden Beinen ist man die Number One – so wird es zumindest vermittelt.

kim-possible

Immer in Aktion – die (unnatürlich) schlanke Kim Possible hangelt sich von Fall zu Fall.

Dass diese körperlichen Ideale, die meist nur weibliche Figuren betreffen, im realen Leben einfach unmöglich erreichbar sind, stellt die Expertin Frau Götz in einem Artikel des Tagesspiegels heraus:

„Dem realen Menschen werden dabei nicht zu erreichende Maße vorgehalten: Um allein die Figur einer klassischen Barbie-Puppe zu erreichen, müsste eine Frau entweder mindestens zwischen 1,88 Meter und 2,26 Meter groß sein oder sich eine Rippe herausoperieren lassen. Vom medizinischen Standpunkt hätte sie höchstwahrscheinlich einen Bandscheibenvorfall und Atemprobleme, zudem wäre sie unfruchtbar und würde unter Osteoporose leiden.“

Die Unmöglichkeit des idealisierten und dazu meist noch sexualisierten Körpers ist Kindern jedoch nicht bewusst. Sie sich unerreichbare Vorbilder zu machen, die im schlimmsten Fall sogar zu einer Essstörung führen können. Die Betonung liegt hier jedoch auf „können“, denn, dass Kinder in eine Magersucht gestürzt werden, hängt natürlich von wesentlich mehr Faktoren ab, als von überschlanken Zeichentrickheldinnen –Veranlagung, Psyche und Lebensumstände spielen die weit größere Rolle. Doch der Einfluss, den Vorbilder auf unsere Kinder haben, sollte dennoch nicht unterschätzt werden.

Warum also der Schlankheitwahn im TV?

Die Vergleiche von damals und heute haben eindeutig gezeigt, dass die Zeichentrickhelden dünner geworden sind – und das liegt nicht nur an der Animation. Doch was ist nun der wahre Grund für den Abspeckwahn im deutschen Kinderfernsehen? Naheliegend ist, was die Studie gezeigt hat: dicke Zeichentrickfiguren verleiten zu ungesünderem Essverhalten. Wo doch heute immer wieder die zunehmende Übergewichtigkeit der Kinder und zu wenig Sport im Gespräch sind, scheint dieser Grund logisch. Jedoch sollte man die Figuren nicht so pauschal abstempeln, denn wirklich erwiesen ist der Zusammenhang auch nicht. Außerdem hat sich gezeigt, dass zu dünne Zeichentrickhelden auch die falschen Vorbilder sind. Ein Mittelmaß wäre also die Lösung. Doch was ist normal? Das bleibt schwer zu entscheiden. Und vor allem: Will das breite Publikum das dann auch sehen?

Was denken Sie? Vermissen Sie auch die pummeligen Zeichentrickfiguren von damals? Oder finden Sie die neuen Versionen besser? Hinterlassen Sie uns einen Kommentar!

 
Bilder: Titelbild: Karussell – KinderTV / ZDFtivi Bild 1: Roberto Gustano – Die Bi ne Maja Alte Zeichentrick Staffel Folge 8 Willi bei den Ameisen, Bild 2: Karussell – KinderTV – Die Biene Maja - Maja Tanz, Bild 3: kinder tv – Bob der Baumeister Folge 9, Bild 4: PBS Kids - Bob the Builder Theme Song, Bild 5: Georgeseverine – Heidi Folge 11 deutsch, Bild 6: ZDFtivi – ZDF tivi - Heidi - Titelsong mit Andreas Gabalier, Bild 7: Shairaptor – Meister Eder und sein Pumuckl - Folge 36 - Pumuckl und die Katze, Bild 8: Timothy Weaver – Homer Simpson mmm compilation, Bild 9: ©iStock.com/diego_cervo, Bild 10: Asterix és Obelix – Asterix és Kleopátra - A rajzfilm (Teljes - Magyar szinkron), Bild 11:berleezy/Youtube